Projektidee
Was ist Rechtstatsachenforschung?
Die wissenschaftliche Disziplin der Rechtstatsachenforschung wird – zumindest für den deutschsprachigen Raum – üblicherweise auf den deutsch-amerikanischen Rechtswissenschaftler Arthur Nussbaum zurückgeführt. Ihre Erkenntnisgegenstände bestehen im Wesentlichen in der empirischen Identifizierung tatsächlicher Abweichungen der Gesetzeseffekte von der Gesetzeszielsetzung, der Ermittlung von tatsächlichen Problemen in der Rechtspraxis und einem daraus resultierenden legislativen Regelungsbedarf sowie der Analyse tatsächlicher Umstände zur Unterstützung rechtsdogmatischer Auslegungsprozesse.
Die Rechtstatsachenforschung unterscheidet sich damit deutlich von der „klassischen“, rein normativ geprägten Rechtswissenschaft. Sie bewegt sich vielmehr an der unmittelbaren Schnittstelle von Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Aus diesem Mischcharakter resultiert auch der Umstand, dass sich die Rechtstatsachenforschung in methodischer Hinsicht nicht des gängigen juristischen Auslegungskanons, sondern vielmehr der Instrumente der empirischen Sozialforschung bedient. Anwendbar ist die Rechtstatsachenforschung prinzipiell auf alle denkbaren Lebenssphären, wobei ihre besondere Relevanz für den auf ein hohes Maß an Rechtssicherheit angewiesenen Bereich der Wirtschaft hervorzuheben ist. Bislang wird Rechtstatsachenforschung in Deutschland, so sie denn überhaupt betrieben wird, weit überwiegend analog, d.h. unter manueller Durchführung und Auswertung von Befragungen und Beobachtungen eingesetzt.
Und warum digital?
Vorliegend soll der Forschungsansatz indes darin bestehen, die Methode der Rechtstatsachenforschung in das digitale Zeitalter zu überführen. Zu diesem Zweck soll, anders als in der konventionellen Rechtstatsachenforschung, die Gewinnung und Analyse von
Rechtstatsachen unter Einsatz von Arbeitsmethoden der Wirtschaftsinformatik (insb. Robot- und Text-Mining-Algorithmen) durchgeführt werden. Das Ziel ist, mit der Digitalen Rechtstatsachenforschung eine interdisziplinäre und innovative wissenschaftliche Methode zu etablieren. Bereits angestoßen ist ein reger Austausch mit meinen nationalen (u.a. Alexander Bohnert, Privatdozent für Wirtschaftsmathematik, FAU Erlangen-Nürnberg) und internationalen (u.a. Sébastien Lanctôt, Professeur titulaire, Université de Sherbrooke, Canada) Kooperationspartnern sowie wiederkehrende Forschungsaufenthalte weiterer renommierter Wissenschaftler am Projektstandort. Aus den Arbeitsergebnissen der Digitalen Rechtstatsachenforschung sollen mehrere Aufsatzpublikationen hervorgehen.